In den letzten 30 Jahren steigt in Mitteleuropas Wäldern die Baummortalität stark an. Sind Borkenkäfer, Eschensterben, Dürre & Co. die Verursacher für dieses neue Baumsterben? 

Baumsterben - Region Schneealpe NÖÖsterreich im bedauerlichen Spitzenfeld

Eine Forschergruppe der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) und der Humboldt-Universität zu Berlin ist jetzt dieser Frage nachgegangen und hat die Baummortalität in Österreich, Deutschland, Polen, Tschechien, der Slowakei und der Schweiz untersucht. Die Wissenschafter um Cornelius Senf und Rupert Seidl konnten anhand von 720.000 manuell interpretierten Satellitenbildern zeigen, dass sich die Mortalität in Mitteleuropas Wäldern in den letzten dreißig Jahren verdoppelt hat. War 1985 im Schnitt noch ein halbes Prozent der Waldfläche pro Jahr von Mortalität betroffen, so waren es 2015 bereits ein Prozent pro Jahr. Dies entspricht in etwa einer Waldfläche von 3,000 km2, oder der Fläche der Bundesländer Vorarlberg und Wien zusammen. Basierend auf den nun vorliegenden Daten ist also erstmals klar, dass die aktuelle Welle der Baummortalität jene des „Waldsterbens“ vor 30 Jahren deutlich übersteigt. Weiters zeigte sich, dass Österreich die höchste Mortalitätsrate von sechs untersuchten mitteleuropäischen Ländern aufweist. Foto: Schneealpe / NÖ

Mensch und Klima als Verursacher

Die Gründe für das zunehmende Baumsterben sind vielfältig. So waren die letzten Jahre von klimatischen Extremen geprägt, die dem Wald stark zusetzten. „Winterstürme und Borkenkäfer, welche sich durch die warmen und trockenen Bedingungen rasch vermehren, verursachen großflächige Baummortalität“, so der Hauptautor der Studie, Cornelius Senf. Ein weiteres Ansteigen der Baummortalität im fortschreitenden Klimawandel ist wahrscheinlich. Doch auch die menschliche Nutzung des Waldes in Mitteleuropa hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, da Holz ein stark nachgefragter, lokal verfügbarer und nachwachsender Rohstoff ist. Diesbezüglich dokumentiert die Studie, dass der Waldbau in den letzten 30 Jahren deutlich schonender geworden ist. „Unsere Daten zeigen eine Verschiebung von großflächigen Kahlschlägen hin zu einer kleinflächigen Öffnung des Kronendachs und der Entnahme von nur wenigen Bäumen pro Bestand“, so BOKU-Experte Rupert Seidl.

Mehr Wald betroffen, jedoch weniger tote Bäume

Und noch eine – auf den ersten Blick paradox anmutende – Entwicklung fanden die Forscher in ihren Daten bis 2015: Während die von Baummortalität betroffene Waldfläche über die letzten 30 Jahre deutlich zunahm, änderte sich die Anzahl der sterbenden Bäume in Mitteleuropas Wäldern kaum. Dies lässt sich dadurch erklären, dass heute tendenziell ältere und größere Bäume sterben als in der Vergangenheit und diese im Kronendach des Waldes größere Lücken hinterlassen. „Die Antwort auf die Frage, ob wir aktuell eine neue Phase des Baumsterbens erleben hängt also auch davon ab, welche Maßzahl man dafür heranzieht“, betonen die Forscher. Das Baumsterben jedoch nicht gleich „Waldsterben“ ist, darüber sind sie sich einig, denn: Vielerorts wächst unter den abgestorbenen Bäumen bereits die nächste Baumgeneration heran.

Anmerkung der Redaktion: Die Jahre 2016-2018 sind in dieser Statistik nicht berücksichtigt. Besonders seit der Trockenheit des Sommer 2018 sind die Schäden in den Wäldern auch für Laien offensichtlich.

Kontakt / Rückfragen:
Prof. Rupert Seidl
Institut für Waldbau
Universität für Bodenkultur Wien
Tel: +43 1 47654-0

Dr. Cornelius Senf
Geographisches Institut
Humboldt-Universität zu Berlin
Tel: +49 151 50652760

Link zur Studie:
Senf et al.: Canopy mortality has doubled in Europe’s temperate forests over the last three decades.
Nature Communications http://doi.org/10.1038/s41467-018-07539-6